Tierparkturm Goldau

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Der Natur- und Tierpark Goldau ist ein Ort mit Geschichte. Hier begegnen sich Mensch, Tier und Natur. Im Parkzentrum, an höchster Stelle, steht der Tierparkturm. Das Holz für seinen Bau kommt aus dem Sichtbereich des Turmes und ist ein konstruktives Produkt aus der Schutzwaldpflege in der direkten Nachbarschaft.

Der «schreitende Waldmensch» im Tierpark von Goldau ist aus regionalem Holz gebaut.
© Frederic Urben

Vogelperspektive dank Holzturm

Im Jahr 1806 ereignete sich in Goldau ein gewaltiger Bergsturz, der die Landschaft stark veränderte. Auf den Trümmern entstand 1925 der Natur- und Tierpark Goldau. Dieser Park ist nicht nur ein Lebensraum für Pflanzen und Tiere, sondern auch ein Ort der Begegnung zwischen Mensch und Natur. Inmitten des Tierparks ragt nun seit 2016 eine durch den bekannten Schweizer Architekten Gion A. Caminada entworfene architektonische Sehenswürdigkeit hervor. Seine Entwurfsidee war ein ‹Schreitender Waldmensch›. Der 30 Meter hoher Turm eröffnet heute den Besuchenden neue Möglichkeiten, die Tiere, die Natur und die Landschaft aus einer ganz neuen Perspektive zu erleben. [1][2]

Eine Besonderheit des Turms ist das Holz, aus dem er besteht. Ein Grossteil davon wurde direkt aus den umliegenden Wäldern gewonnen. Ziel war es, dass das Holz aus der Sichtweite des Turmes kommt. Auch die weiteren Verarbeitungsschritte sollten so lokal als möglich organisiert werden. [1][2]

Das für den Turm geerntete Holz wurde zur Weiterverarbeitung nur wenige Kilometer entfernt zur Firma Schilliger in Küssnacht transportiert. Die Arbeiten am Fundament des Turmes übernahm die örtliche Firma Contratto AG, während die Goldauer Annen Holzbau AG die Verantwortung für den eigentlichen Holzbau des Turms trug. Fast 100 Prozent des für den Turm verwendeten Holzes stammen aus der Schweiz und trägt das Qualitäts-Label ‹Schweizer Holz›. Diese Entscheidung, regionales Holz zu verwenden, spiegelt die Philosophie des Natur- und Tierparks wider, respektvoll mit Tier und Natur umzugehen und Ressourcen nachhaltig zu nutzen. [1][2]

Eine Videoreportage, die im Auftrag des Natur- und Tierparks Goldau entstanden ist, dokumentiert ausführlich die Bauphase des 30m hohen Turms: Baureportage: Tierpark-Turm [3]

Alle Arbeitsschritte, von der Ernte des Holzes bis zur Fertigstellung des Turms, wurden von lokalen und regionalen Unternehmen ausgeführt. Dadurch wurde in der Zentralschweiz Arbeit für 3.5 Personen für ein ganzes Jahr geschaffen. [4] Dies ist ein gelungenes Beispiel für die Bedeutung von lokalen Projekten und deren Beitrag zur Wirtschaft.

Im Turm selbst sind insgesamt 236 Kubikmeter Holz verbaut. [5] Dafür mussten total 530 Kubikmeter Holz geerntet werden, wobei dieses je nach Qualität für unterschiedliche Zwecke verwendet wurde. Dies verdeutlicht, wie sorgfältig mit den Ressourcen umgegangen wurde. Aber die Geschichte des Holzes endet nicht hier. Der Erlös aus der verwendeten Holzmenge kann im Durchschnitt die Aufwände für die Pflege und Erhaltung einer Waldfläche von bis zu vier Hektar decken. Das entspricht einer Fläche von knapp sechs Fussballfeldern. [4]

Die Senkenleistung dieser Waldfläche beträgt jährlich ca. 8.5 Tonnen CO2. Das entspricht mehr als 56’000 Kilometer Autofahrt oder umgerechnet einer 1.4-maligen Umrundung der gesamten Erde mit einem PKW. Das Holz des Tierpark-Turmes hat, während es im Wald als Baum gewachsen ist, beeindruckende 236 Tonnen Kohlenstoff eingespeichert. Diese Menge lagert nun temporär im Turm. Währenddessen können im Wald neue Bäume nachwachsen und wieder CO2 aus der Luft abscheiden, als Kohlenstoff einlagern und dabei zusätzlich netto 12.7 Tonnen Sauerstoff jährlich produzieren. [4]

Ein Symbol für die Nachhaltigkeit

Der Turm im Tierpark verkörpert das Konzept der Nachhaltigkeit in sämtlichen Dimensionen. Die nahezu vollständige Verwendung von Holz, einem erneuerbaren Rohstoff, der direkt aus umliegenden Wäldern stammt, steht dabei im Fokus. Die kurzen Transportwege zu lokalen Unternehmen tragen nicht nur zur Verringerung des ökologischen Fussabdrucks bei, sondern stärken auch die regionale Wirtschaft. Dieses Projekt steht für einen achtsamen Umgang des Menschen mit der Natur und eröffnet einen ungewöhnlichen Blick auf die Landschaft und den Tierpark. Darüber hinaus wurden an der Fassade verschiedene Nistkästen für Vögel und Fledermäuse installiert. Die Vision des schreitenden Waldmenschen prägt den Entwurf des Turmes von Gion A. Caminada. Der Architekt setzt auf lokales Bauen, um die regionale Kultur zu fördern. Ziel ist es, dass der Mensch die Natur nicht mehr einzig als Ware und Ressource betrachtet, sondern eine neue Verbundenheit zur Natur findet. Damit wird der Turm auch zu einem Symbol für eine respektvolle Beziehung zwischen Mensch und Natur. [1][2]

Theo Weber, Vorsteher Amt für Wald und Natur / Kantonsförster, Kanton Schwyz:
«Der Turm im Tierpark von Goldau ermöglicht neue Ein- und Ausblicke auch für die Wald- und Holzwirtschaft.»
© INNOwood 2023. [V1]

Vom Wald an der Rigi-Nordlehne nach Goldau

Der Tierpark-Turm ist ein Zeugnis dafür, wie wertvoll die Nutzung von Ressourcen aus der eigenen Region sein kann. Die Holzkonstruktion besteht beinahe zu 100 Prozent aus Holz, das direkt aus umliegenden Wäldern wie der Rigi-Nordlehne geerntet wurde. [2]

Vom Wald an der Rigi-Nordlehne nach Goldau – Das Wirkungsgefüge Tierparkturms in Goldau.
© INNOwood 2023. [B1]

Ein Symbol für die Erneuerung nach Naturgewalten

Der Natur- und Tierpark Goldau steht an einer für die Region geschichtlich bedeutenden Stelle. Im Jahr 1806 brach der Rossberg ab und begrub unter seinen Gesteinsmassen zwei Dörfer und hinterliess eine zerklüftete Landschaft am Berg und einen Schutthaufen im Tal. 1925 entstand genau an dieser Stelle durch die unermüdliche Arbeit von Freiwilligen eine Tierpark- und Vogelschutzanlage. [1][5]

Im Jahr 1999 wütete der Sturm Lothar und hinterliess erneut Verwüstungen, auch auf dem Gelände des Tierparks, so auch am Standort des heutigen Turms. Im Jahr 2015 schlug der Schwyzer Kantonsförster Theo Weber als Stiftungsbeiratsmitglied des Tierparks vor, einen Holzturm zu bauen. Das Bauwerk sollte sich harmonisch in die Umgebung einfügen, nicht höher als die höchsten Bäume der Umgebung sein und sich in den Wald integrieren. Gleichzeitig sollte der Turm den Besuchenden eine einzigartige Rundsicht auf die umliegende Landschaft bieten, die von drei schützenswerten eidgenössischen Landschaften und Naturdenkmäler geprägt ist. Darüber hinaus sollte er aus einheimischen Ressourcen erstellt werden. Und so begann der Weg, der drei Jahre später zur Fertigstellung des Turms führte. [1][2][5]

Zum Schutz der Nord-Süd-Verbindung

Ein Teil des Holzes für den Tierpark-Turm stammt direkt aus dem Wald an der Rigi-Nordlehne, einem Gebiet am nördlichen Hang des Rigi-Massivs. Der Ort ist steil, felsig und dicht bewaldet und der lokale Wald erfüllt eine wichtige Aufgabe: Er schützt die SBB-Bahnlinie, die Autobahn A4, die Kantonstrasse, Starkstromleitungen, diverse Liegenschaften und Kulturland vor Überschwemmungen, Murgängen, Erosion, Steinschlag und Lawinen. [7][8]

Der Wald an der Rigi-Nordlehne schützt eine wichtige Verkehrsverbindung und Infrastrukturen.
© Theo Weber

Der Schutzwald in der Rigi-Nordlehne besteht hauptsächlich aus Nadelbäumen wie Fichten und Weisstannen, aber auch aus Laubbäumen wie zum Beispiel Buchen. Diese Baumarten verankern den Boden, halten Schnee zurück und speichern Feuchtigkeit. Das Waldgebiet erstreckt sich insgesamt über mehr als 300 Hektar [7], was einer Fläche von mehr als 400 Fussballfeldern entspricht.

Nachwuchs an der Rigi-Nordlehne

Die Pflege und der Erhalt des Schutzwaldes werden von der SBB und der Unterallmeind-Korporation Arth übernommen. [8] Dabei werden Wege und Bachläufe im Wald instand gehalten. Dabei werden auch regelmässig ausgewählte Bäume gefällt, um jungen Bäumen Platz zu geben und das Wachstum der verbleibenden Bäume zu fördern. Wie das Nachwachsen der jungen Bäume stattfindet, hängt von vielen Faktoren ab: ob die richtigen Samen zur Verfügung stehen, ob es ausreichend Licht, Wärme und Feuchtigkeit gibt, ob die richtigen Wurzelpilze vorhanden sind oder ob es Konkurrenz durch die Kraut- und Strauchschicht gibt. [8][9]

Ein weiterer Aspekt, der das Gedeihen junger Bäume beeinflusst, ist der ‹Wilddruck›, der Verbiss durch Wildtiere. [9] In der Rigi-Nordlehne gibt es reichlich Wildtiere wie Gämse, Hirsch und Rehe, die junge Bäume als Nahrung nutzen. Dies kann das Wachstum der Bäume beeinträchtigen. Daher wird seit 30 Jahren in einem Projekt vor Ort untersucht, wie sich der Verbiss des Wildes auf den Baumbestand auswirkt und welche Baumarten sich am besten entwickeln. [10]

Der Turmbau von Goldau verbindet somit nicht nur Architektur mit der Landschaft, sondern auch die wirtschaftliche und nachhaltige Holznutzung mit der Pflege eines wichtigen Schutzwaldes und nicht zuletzt das Freizeiterlebnis mit einem respektvollen Umgang mit der Natur.

Quellen

[1] Caminada, Gion A.; Baumann, Anna. │ Schlussbericht Tierpark-Turm. Begleitet durch das BAFU. März 2018.

[2] Coulin, David │ Turm der Biodiversität. First 91/2017.

[3] Mountain Motion Pictures │ Der Tierpark-Turm. Ein starkes Stück Schweizer Holz. 2016. Kamera Lukas Pitsch, Buch & Konzept David Coulin. [Externer Link: ]

[4] Geier, Sonja; Wacker, Pascal; Gallati, Justus; Hanisch, Christoph; Witt, Sabine, Z’Rotz, Jana │ ITC INNOwood. Fachlicher Schlussbericht WHFF-CH-Projekt. 2021.07. Luzern, 30.11.2023. Beilage 1.

[5] Natur- und Tierpark, Goldau │ Der Tierpark-Turm eröffnet neue An- und Einsichten. Medienmitteilung vom 29.11.2016. In: Presseportal Natur- und Tierpark Goldau.

[6] Bieler, Walter │ Holzturm, Natur- und Tierpark, Goldau. Projektbeschrieb des Ingenieurs. 16.03.2016.

[7] Hug, Moni │ Dreissig Jahre Waldbeobachtung an der Rigi-Nordlehne. In: Specht 03/2021. Bergwaldprojekt Schweiz (Hrsg.). S. 3–7.

[8] Telefoninterview Theo Weber │ 08.05.2023. Geführt von Sonja Geier.

[9] Stadelmann, Golo │ Modellierung der Waldentwicklung an der Rigi-Nordlehne zur Analyse der Schutzwirkung von Wald gegen Murgang. Masterarbeit an der ETH Zürich, Oktober 2008.

[10] Abegg, Meinrad; Allgaier Leuch Barbara; Kupferschmid, Andrea. Wildverbiss: wichtige Baumarten unter Druck. │ In: Wald und Holz.9/21 S. 20–22.

[B1] Bildnachweis Grafik: © Natur- und Tierpark Goldau. Fotograf: Frederic Urben / © ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv. Fotograf: Peter Hahn. Dia_348-01794 / © CCTP 2023. Video: Jara Malevez / © ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv. Fotograf: Peter Hahn. Dia_348-00339

[V1] Fotos: © Theo Weber / © Natur- und Tierpark Goldau. Fotograf: Frederic Urben / Scans Skizzenbuch: © Gion A. Caminada