Wärme aus dem Schutzwald

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In der Schutzwaldpflege in Hergiswil fällt Holz an, dessen Qualität für die Verarbeitung in der Sägerei ungenügend ist – nun wird daraus Wärme produziert. Der Wärmeverbund Grossmatt-Zwyden nutzt das Holz und liefert Energie für 20 Gebäude. Ein gutes Beispiel dafür, wie die Pflege der Schutzwälder und der Ersatz fossiler Brennstoffe zusammenspielen können.

Holz aus der Schutzwaldpflege versorgt 20 Gebäude mit Wärme und ersetzt damit fossile Brennstoffe.
© CCTP. Foto: Timo J. Walker

Holz aus unmittelbarer Umgebung

Hergiswil ist von ausgedehnten Schutzwäldern umgeben, in denen bei der Waldpflege viel ungenutztes Holz anfällt. Im Jahr 2007 beschlossen die Schulgemeinde Hergiswil und das Seniorenzentrum Zwyden, ihre veraltete Heizungsanlage zu ersetzen. Die Wahl fiel auf einen Wärmeverbund, der das Holz aus den Schutzwäldern der Korporation Hergiswil und benachbarter Schutzwälder verwendet. Heute werden rund Zweidrittel des Potenzials aus diesen Wäldern genutzt.

Josef Odermatt, Revierförster, Amt für Wald und Naturgefahren, Kanton Nidwalden:
«Der grosse Vorteil sind kurze Transportwege und eine optimierte Logistik für die Wärmeerzeugung
– eine Win-Win-Situation für alle.»

© INNOwood 2023

Mittlerweile werden 20 Gebäude mit Energie versorgt. Die Hergiswiler Wälder erstrecken sich über eine Fläche von 515 Hektar, was mehr als 720 Fussballfeldern entspricht. Etwa Dreiviertel der Fläche sind als Schutzwald ausgewiesen. Die Korporation Hergiswil erntet jährlich rund 1’400 Kubikmeter Holz im Korporationswald. Das sind insgesamt über 90 Lastwagenladungen. Die Hälfte davon wird als Energieholz und die andere als Bauholz verwendet. Rund 670 Kubikmeter pro Jahr liefert die Korporation aus ihrem Schutzwald an den Wärmeverbund. Ergänzt wird dies durch 200 Kubikmeter aus angrenzenden Schutzwäldern und 300 Kubikmetern aus den umliegenden Nutzwäldern. [4][5]

Die nachhaltige Holznutzung zeigt jedoch, dass das volle Potenzial noch nicht ausgeschöpft ist. Jährlich wachsen rund 3’200 Kubikmeter Holz in den Hergiswiler Wäldern nach. Genutzt werden aktuell aber nur rund 2’000 Kubikmeter. Stand heute werden also nur rund zwei Drittel des Potenzials ausgeschöpft. [4][5]

Der Wärmeverbund produziert durchschnittlich 2.3 Gigawattstunden Wärme pro Jahr. Das entspricht 230’000 Litern Heizöl, womit rund 600 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Der Wärmeverbund ist eine Erfolgsgeschichte. Doch inzwischen ist die bestehende Zentrale in die Jahre gekommen, und es gibt Überlegungen, sie durch einen Neubau zu erweitern. Zu Beginn des Jahres 2022 erfolgte ein entscheidender Schritt: Der Wärmeverbund wurde vom kantonalen Elektrizitätswerk Nidwalden EWN übernommen. Damit wurden die Weichen für die zukünftige strategische Entwicklung gestellt. [1][3]

Vom Steinschlagschutz zum Energieholz

«Unser oberstes Ziel ist es, dass wir das Holz möglichst hochwertig verwenden und daraus Häuser oder Möbel bauen, oder zu Werkstoffen verarbeiten», sagt Josef Odermatt, Revierförster des Kantons Nidwalden. «Doch in der Schutzwaldpflege sind Holzqualitäten angefallen, die wir nicht verkaufen konnten.»

Vom Steinschlagschutz zum Energieholz – Das Wirkungsgefüge des Wärmeverbunds in Hergiswil.
© INNOwood 2023. [B1]

Ein beträchtlicher Teil der Hergiswiler Wälder – 15–20 Prozent – dient dem Schutz vor Steinschlag. Die Bäume erfüllen diese Schutzfunktion wirkungsvoll, werden aber durch die Steine, die sie mit ihren Stämmen davon abhalten, ins Tal zu stürzen selbst beschädigt. Der Aufprall verletzt die Rinde und ermöglicht Pilzsporen in das Holz einzudringen. Diese setzen sich im Holz fest und zersetzen die Struktur. Um einen nachhaltigen Steinschlagschutz zu gewährleisten, wird durch gezieltes Schlagen grosser und instabiler Bäume Platz für jungen Wald geschaffen. Das geschlagene Holz aus solchen Steinschlaggebieten weist jedoch durch die Beschädigungen verursachte Farbfehler und Faulstellen auf, weshalb es nur noch als Energieholz verwendet werden kann. [4]

Ein anderer bedeutender Teil des Waldes in Hergiswil schützt im steilen Gelände und bei Rinnsalen vor Rutschungen. Diese Wälder bestehen überwiegend aus Laubholz mit grossen Kronen, die für Hangstabilität sorgen. Die Herausforderung für die Bäume liegt im steilen Gelände, das oft langsam abrutscht. Die Stämme wachsen unter diesen Bedingungen krumm und versuchen sich abzustützen und aufzurichten.

Dies hat Auswirkungen auf das Wachstum der Jahresringe. Sie konzentrieren sich nicht mehr gleichmässig um die Stammmitte, sondern sind auf der hangzugewandten Seite kleiner und dichter, auf der abgewandten Seite dicker. Diese Unregelmässigkeiten führen zu unterschiedlichen Festigkeiten, die sich auf die Bearbeitbarkeit auswirken. Holz mit solchen Eigenschaften nennt man ‹Reaktionsholz›. Ist der Anteil an Reaktionsholz hoch, bleibt auch hier nur die Verwendung als Energieholz. [4]

Geliefert für die Wärme im Dorf

Der Weg des Holzes für den Wärmeverbund beginnt bereits direkt im Wald. Dort, auf einem Lagerplatz, wird das Holz mit einem mobilen Grosshacker zu Hackschnitzel verarbeitet. Doch bevor die Hackermesser ihre Arbeit aufnehmen, muss das Holz gereinigt werden. Kleine Steine, die am Holz haften, sind ein Problem. Der Hacker kann Stämme mit einem Durchmesser bis 70 Zentimeter verarbeiten; dickere Stämme werden mit einer Spezialzange vorgespalten.

Einige der geernteten Holzstämme werden auf wintersichere Lagerplätze vortransportiert, damit die Verarbeitung und der Abtransport auch bei Schnee möglich sind. Diese Lagerplätze liegen an Waldstrassen, damit die Zufahrt und auch der Abtransport gewährleistet sind. Am Lagerplatz werden die Hackschnitzel nach dem Hacken direkt in Abrollmulden verladen und anschliessend zur Zentrale des Wärmeverbundes transportiert. Dabei sind lokale Unternehmer im Einsatz, sowohl beim Hacken als auch beim Transport des Holzes.

Die Anlieferung erfolgt mittels LKW mit Kippmulden. Auf dem Vorplatz des Wärmeverbundes werden die Hackschnitzel in eine grosszügige Siloöffnung gekippt. Eine Förderschnecke transportiert sie anschliessend zu den beiden Heizkesseln.

Die beiden Heizkessel haben eine Leistung von 900 bzw. 450 kW. Sie produzieren die Wärme, die anschliessend durch gut isolierte, silbern schimmernden Rohre zu den Gebäuden in der Umgebung fliesst. [5]

Vorsorge für die Zukunft der Hergiswiler Wälder

Schutzwaldpflege in Hergiswil ist eine kontinuierliche Aufgabe, und Nachhaltigkeit steht dabei an oberster Stelle. Die Abnahme des Holzes aus der Schutzwaldpflege spielt eine entscheidende Rolle, da sie einen gesicherten, regelmässigen Absatz aller Holzqualitäten ermöglicht. Diese verlässliche Nachfrage unterstützt wiederum die kontinuierliche, nachhaltige Pflege und den Nachwuchs von Schutzwäldern in der Region. [5]

Quellen

[1] Gemeinde Hergiswil │ Die Gemeinde Hergiswil verkauft den Wärmeverbund Grossmatt/Zwyden an das Kantonale Elektrizitätswerk. Medienmitteilung, 04.01.2022.

[2] Günter, Günter, Rudolf │ Wärmeverbund in Kombination mit Schutzwald. E-Mail vom 13.04.2022. Frischkopf, Michael │ Feuer und Flamme für eine gute Sache. In: Eysi Energii 1/2022. S. 6–7.

[3] Odermatt, Josef. Interview geführt von Sonja Geier.04.09.2023.

[4] Odermatt, Josef. Erläuterungen zum Schutzwald in Hergiswil. Stellungnahme 11.10.2023.

[B1] Bildnachweis Grafik: © CCTP. Fotograf: Timo J. Walker / © Josef Odermatt, Revierförster Amt für Wald und Naturgefahren NW / © PD nidwaldnerzeitung.ch